Keine Angst vor Fett

Mageres Fleisch, Schinken ohne Fettrand und Wurst mit wenig Fett liegen im Trend. Ernährungsbewusste Kunden wissen, mit dem Fett steigt der Energiegehalt und damit das Risiko, Figur und Gesundheit zu ruinieren. Doch um das Fett ranken sich viele Irrtümer. So überschätzen Kunden die Mengen in unverpackter Ware oft erheblich.

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    Zusammen mit Folienkartoffel und Gemüse wird aus einem saftigen Steak eine herzhafte, leichte Mahlzeit.
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    SB-Verpackungen informieren Kunden über die Nährstoffe der Wurst. Beim Einkauf im Fleischer-Fachgeschäft erwarten Kunden das vom Verkaufspersonal.
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    Barbara Krieger-Mettbach bietet Ernährungs- und Verkaufsberatung für Fleischer-Fachgeschäfte an.

E Rund drei Viertel aller Kunden treffen ihre Kaufentscheidung primär mit den Augen. Sichtbares Fett werten sie dabei als Makel. Sie bitten das Verkaufspersonal, den Fettrand vom Braten oder die Haut von den Hähnchenschenkeln zu entfernen. Rindfleisch erweckt aufgrund seiner roten Farbe eher den Eindruck eines mageren Fleisches als das hellere Schweinefleisch. Ein Nährwertvergleich unter den mageren Teilstücken ergibt das Gegenteil.

Weniger kleinlich geben sich fettbewusste Kunden beim Kauf von mariniertem Grillgut der reichhaltigeren Kategorie und bei pfannenfertig panierten Fleischstücken. Unsichtbares Fett scheint weniger bedrohlich zu sein. Aus der Wursttheke favorisieren Fettbewusste Schinken, Sülzen und Geflügelprodukte. Letztere gelten als besonders mager. Rosige Brühwurst halten Kunden meist für fettärmer als blassere Wurstwaren. Auch hier zeigt sich, dass die Einteilung in magere und fettere Produkte nur teilweise mit dem Auge erfolgen kann. Unter ernährungsphysiologischen Aspekten ist eine fettarme Auswahl zwar grundsätzlich positiv zu bewerten, doch ist in einer ausgewogenen Mischkost jede Hysterie angesichts mittelfetter Produkte übertrieben.

Fachwissen optimieren

Der Fettgehalt von Wurst ist für Kunden im Fachgeschäft eine große Unbekannte. Klare Vorteile bietet da der Einkauf von SB-Ware im Supermarkt: Neben der Zutatenliste trägt fast jede Packung eine Nährstoffanalyse. Transparenz, die sich auszahlt: Viele Kunden glauben allein aufgrund dieser Angaben, verpackte Wurst sei fettärmer als lose Ware vom Fleischer. Weitere Kaufgründe sind ein kontinuierlich wachsendes Sortiment und längere Haltbarkeit. Diese Vorteile industrieller Produkte gilt es an der Bedientheke mehr als auszugleichen: Sie müssen sie toppen, und zwar mündlich. Mit jedem Stück Fleisch, mit jeder Scheibe Wurst, die Kunden kaufen, bezahlen sie auch das Gehalt des Verkaufspersonals mit. Dafür können sie mehr erwarten, als das Abwiegen der Ware. So muss es selbstverständlich werden, dass das Verkaufspersonal die Kunden über den Fettgehalt der Wurstwaren informiert – auch dann, wenn diese nicht danach fragen. Ein Service, der Fachwissen erfordert und möglichst auf Analysen der eigenen Produkte basieren sollte. Diese enthalten oft mehr Magerfleisch und unterschreiten so die in handelsüblichen Nährwerttabellen angegebenen Fettwerte erheblich. Aus der Rezeptur resultiert neben günstigeren ernährungsphysiologischen Eigenschaften ein höherer Verkaufspreis. All das wissen Kunden nicht. Im schlimmsten Fall stehen sie vor der Theke, erfahren nichts über das Produkt, für das sie mehr bezahlen sollen als im Supermarkt. Kassieren sie obendrein eine unfreundliche Antwort, wenn sie diesen Punkt ansprechen, werden sie zukünftig woanders einkaufen. Je detaillierter die Verpackungen der Industrieware informieren, desto aktiver, qualifizierter, individueller und facettenreicher muss das Verkaufspersonal im Fachgeschäft die Kunden beraten.

Zahlen allein reichen nicht

Voraussetzung für die Kundenberatung ist das Wissen über Fettgehalte. Die wenigen Werte von magerem Fleisch inklusive Energie prägen sich leicht ein. Bei Schinken und Wurst wird es umfangreicher. Im Alltag reicht es völlig aus, die Fleisch-Erzeugnisse intern in Gruppen einzuteilen. Beispiele: Sorten mit maximal drei Prozent Fett, die nach der Health-Claims-Verordnung als fettarm gelten. Sorten mit bis fünf Prozent Fett. Solche mit über fünf bis 15 Prozent, über 15 bis 30 Prozent und darüber. Überflüssig wird das Auswendiglernen mit modernen Waagensystemen. Per Knopfdruck erhalten Verkaufspersonal und Kunden die genauen Nährwerte für jedes Produkt. Information im Trend der Zeit. Hilfreich und notwendig. Doch wer glaubt, mit dieser Anschaffung bereits Ernährungsberatung zu praktizieren, der irrt. Diese Systeme bringen den Thekenverkauf lediglich auf eine Informationsstufe, die die Industrie mittels Verpackung längst erreicht hat.

Während ein Kunde beim Lesen einer Packungsaufschrift jedoch auf sich gestellt ist, fragt er beim Fleischer nach. Er erwartet Antworten auf seine Fragen. Er sucht nach Orientierung. Das ist für Fachgeschäfte die Chance für Kundenbindung und Mehrumsatz durch Ernährungsberatung. Denn die bedeutet mehr als das Vorlesen von Zahlen. Wer im Verkaufsalltag mit Nährwerten auftrumpft, muss über Ernährungswissen verfügen. Wie viel Energie und Fett enthält eine gesunde Ernährung? Auf welche Mahlzeiten sollte es sich wie verteilen? Und wie viel Eiweiß braucht ein Erwachsener pro Tag? Allein mit der Auskunft, dass die auf einer Waage liegenden vier Scheiben Kochschinken 100 Gramm wiegen und vier Gramm Fett enthalten, können die wenigsten Kunden etwas anfangen. Die Erklärung muss folgen. „Damit enthält jede Scheibe nur ein Gramm Fett. Das ist sehr wenig, gemessen an den rund 60 Gramm, die ein Erwachsener täglich essen darf. Und das Gute: Der Schinken schmeckt sehr saftig und aromatisch.“ Vergleiche und Interpretationen lassen sich an der Fleischtheke ebenfalls anstellen. So könnte Ihre Bemerkung beim Abwiegen von 150 Gramm Schweinelende lauten: „Diese Portion Lende enthält nur drei Gramm Fett und 160 Kalorien. Wenn Sie sie in wenig Öl rosa braten, bleibt sie saftig und kalorienarm. Außerdem decken Sie Ihren gesamten Tagesbedarf an Vitamin B1. Dieses Vitamin ist wichtig für die Konzentration und Kondition.“ Wertungen, die keine Verpackung im Supermarkt vornimmt und keine Waage in dieser Form präsentiert. Wichtig: Die Kunden können gleich Fragen zu Ihrer Aussage stellen. Nochmals sei erwähnt, dass diese Form der Beratung nur erfolgreich sein kann, wenn das Verkaufspersonal über fundiertes Wissen verfügt.

Magere Kalorienbombe

Da gibt es Kunden, die lange über das Fett im Schweinefleisch diskutieren und sich wegen des leicht geringeren Wertes schließlich für Putenbrust entscheiden, um diese zu Hause genüsslich in einer cremigen Sahnesoße zu ertränken. Andere verwandeln eine magere Roulade mittels Speck in eine deftige Spezialität. Aus einem Schnitzel lässt sich durch Panieren bequem eine Kalorienbombe zaubern. Während das Fleisch je nach Größe drei bis vier Gramm Fett enthält, werden 35 bis 40 Gramm Bratfett benötigt, um die Panade goldbraun zu braten. Vielen Kunden ist gar nicht bewusst, wie sich der Fett- und Kaloriengehalt mit der Zubereitung verändern lässt. Kein schriftliches Rezept ersetzt die persönlichen Zubereitungstipps einer erfahrenen Verkäuferin. Nur sie weiß, wie lange das gewählte Fleisch ungefähr braten soll, wie es saftig bleibt und wie die Soße am besten gelingt. Im Verkaufsgespräch erfährt sie, welche Speise der Kunde kochen möchte und über welche Kochkompetenz er verfügt. Dieses Wissen integriert sie in die Beratung. Genau wie die Informationen über Fett, Kalorien und Eiweiß sollten auch die Zubereitungstipps selbstverständlich gegeben werden. Nur ein kleiner Hinweis wie „Wenn Sie das Schnitzel erst nach dem Braten salzen, bleibt es saftig“, reicht aus, um das Interesse der Kunden zu wecken. Wer mehr wissen will, fragt nun nach. Die Beratung über eine fettarme Zubereitung ist facettenreich. Bildhafte Schilderungen und Vergleiche erleichtern Kunden das Verständnis. Tipps zur Kombination von Fleisch, Gemüse und Beilagen komplettieren das Bild von der gesunden Mahlzeit.

Cholesterin ist kein Fett

Man sieht ihn nicht und schmeckt ihn nicht, den fettähnlichen Stoff Cholesterin, der in tierischen Lebensmitteln vorkommt. Besonders reichlich davon enthalten Innereien. Eigelb und Butter sind weitere bedeutende Lieferanten. Auch der menschliche Organismus enthält Cholesterin. Dies stammt aus der Nahrung und der Eigensynthese. Letztere ist die mengenmäßig wichtigste Quelle für den Menschen. Ein hoher Cholesterinspiegel im Blut fördert die Entstehung einer Arteriosklerose. Ob mit normalem oder erhöhtem Blutcholesterin, die Nahrung sollte täglich höchstens 300 Milligramm Cholesterin enthalten. Nach der aktuellen Nationalen Verzehrsstudie II unterschreiten Frauen den Richtwert um durchschnittlich 46 Milligramm, Männer hingegen überschreiten die Empfehlung um 52 Milligramm. Für Männer stellen Fleisch und Wurst die Hauptquellen dar. Rund 20 Prozent des Cholesterins stammt aus den Lebensmitteln. Eier belegen den zweiten Platz. Bei den Frauen verhält sich die Reihenfolge umgekehrt und auf etwas niedrigerem Niveau. Verzehrsempfehlungen für Fleisch und Wurst lassen sich aus diesen Daten nicht ableiten.

Manche Kunden und Verkäuferinnen werfen Cholesterin und Fett in einen Topf. Tatsächlich sind es zwei verschiedene Substanzen. Fettes und mageres Fleisch enthalten etwa gleich viel Cholesterin. Pflanzliche Fette sind cholesterinfrei. Für die Empfehlung magerer Produkte bei hohem Blutcholesterin spricht die Notwendigkeit, mit dem Nahrungsfett reichlich Blutfett senkende ungesättigte Fettsäuren aufzunehmen. Diese befinden sich vor allem in Ölen. Öl statt Fleischfett lautet die Devise.

Käse statt Wurst?

Diese Frage stellt sich vor dem Hintergrund der nie endenden Diskussion um Schaden und Nutzen des Fleischverzehrs immer wieder aufs Neue. Möglichen Antworten geht die Frage voraus, was mit einem Austausch erreicht werden soll. Zunächst gilt: Käse besitzt ein Mineralstoffmuster, das sich nicht mit dem der Wurst vergleichen lässt. Er ist reich an Kalzium, Wurst liefert mehr Eisen und Zink. Das Cholesterin im Käse steigt mit dem Fettanteil. Bei der Wurst gibt es diesen Zusammenhang nicht. Hier steigt das Cholesterin mit dem Anteil an Innereien. Wurst und Käse sind beides wertvolle Lebensmittel. Mit Fisch und Fleisch verhält es sich ebenso. Ohne Fisch fehlt Jod, ohne Fleisch fehlen Eisen und Zink. Meist beziehen sich die Überlegungen zum Fleischaustausch jedoch nicht auf die Mikronährstoffe, sondern auf Fett, Energie und Cholesterin. Ersetzt jemand 150 Gramm mageres Fleisch durch die gleiche Menge mageren Seefisch, spart er etwa zwei Gramm Fett und 40 Kalorien. Das Cholesterin verändert sich kaum. Berücksichtigt man, dass die allgemeine Portionsempfehlung für Fisch 200 Gramm beträgt, nähern sich die Nährwerte an. Letztlich entscheidet die Zubereitung über Gehalt der Speise. Werden 150 Gramm mageres Fleisch durch zwei Eier ersetzt, werden rund zehn Gramm Fett und 30 Kalorien mehr aufgenommen. Statt etwa 100 Milligramm Cholesterin enthält die Eispeise 480 Milligramm. Wurst durch Käse zu ersetzen, spart weder Fett noch Kalorien und Cholesterin. Beim Austausch von 30 Gramm Bierschinken durch die gleiche Menge Gouda mit 45 Prozent Fett i. Tr. erhöht sich die Aufnahme von Fett um etwa sechs Gramm und die Energie um gut 50 Kalorien. Das Cholesterin ist mit je 18 Milligramm gleich. Ersetzt jemand eine Portion Leberwurst durch Magerquark, fällt das Ergebnis zugunsten des Frischkäses aus. Allerdings ist ein solcher Austausch wegen der konträren sensorischen Eigenschaften eher eine Ausnahme. Realistischer ist es, Fleischsülze durch Quark zu ersetzen oder Leberwurst durch Rahmbrie oder Jagdwurst durch Emmentaler.

Vorsicht vor gesättigten Fetten

Fette sind Geschmacksträger und Energielieferanten. Ob Butterschmalz, Schweinefett oder Öl, jedes Gramm Fett enthält gut neun Kalorien. Mit einem Esslöffel nimmt man rund 100 Kalorien auf. Doch Fette liefern auch lebensnotwendige Fettsäuren und fettlösliche Vitamine. Diese essenziellen Substanzen kommen in unterschiedlicher Menge in den Nahrungsfetten vor. Fischfett ist reich an lebensnotwendigen Omega-3-Fettsäuren und an Vitamin D. Spitzenlieferanten: Makrele, Hering, Lachs und Thunfisch. Omega-3-Fettsäuren machen ein Fett empfindlich gegen Hitze, Licht und Sauerstoff. Und sie verleihen ihm eine flüssige Konsistenz. Öle mit hohem Anteil an Omega-3-Fettsäuren sind Lein-, Walnuss- und Rapsöl. Reich an Vitamin E und essenzieller Linolsäure sind die meisten Pflanzenöle. Auch Linolsäure ist hitzeempfindlich und sorgt für eine flüssige Konsistenz. Während eine gesunde Ernährung ohne Pflanzenöle und Fischfett kaum möglich ist, ist Fleischfett durch Öle ersetzbar. So besteht Schweinefett zu knapp 50 Prozent aus Ölsäure, der Fettsäure, die Oliven- und Rapsöl ihren Wert gibt. Dazu kommen gut zehn Prozent Linolsäure. Die anderen etwa 40 Prozent sind gesättigte Fettsäuren. Die machen ein Fett hart und sind nicht lebensnotwendig. Einige Vertreter erhöhen die Blutfette. Kunden lehnen „gesättigte Fette“ ab. Wenig Fleisch und Wurst zu essen, weil diese reich an gesättigten Fetten seien, lautet eine weit verbreitete Empfehlung. Zunächst gilt: Fettsäuren sind Bausteine der Fette. Ohne Fette keine Fettsäuren – auch keine gesättigten. Am Härtegrad eines Fettes erkennt man sein Fettsäurenmuster: Je härter das Fett, desto mehr gesättigte Fettsäuren enthält es. Schweinefett ist streichfähig. Butterschmalz ist hart. Dessen Analyse ergibt rund 60 Prozent gesättigte Fettsäuren und damit deutlich mehr als in Schweine- und Rinderfett. Nehmen Sie Kunden die Angst vor den gesättigten Fettsäuren in der Wurst, denn es sind weniger als 40 Prozent im Gesamtfett. Vergleichen Sie die Konsistenz von Öl, Butter- und Schweineschmalz und erklären Sie: „Je fester ein Fett, desto mehr gesättigte Fettsäuren enthält es.“ Öl ist am besten, Schweinefett steht vor Butterschmalz. Kunden mit erhöhtem Cholesterin sollten zwar magere Fleischwaren bevorzugen, gelegentlich eine Hähnchenkeule oder ein Bratwürstchen werden den Spiegel jedoch nicht in die Höhe peitschen. Wichtiger ist es, ausreichend Gemüse, Obst und Getreideprodukte zu essen. Barbara Krieger-Mettbach